Lernen beginnt selten mit Disziplin – es beginnt mit Neugier. Wenn Menschen etwas lernen, das sie wirklich interessiert, brauchen sie keine äußere Motivation. Sie bleiben dran, stellen Fragen, suchen Zusammenhänge. Ohne Interesse hingegen bleibt Lernen ein müdes Nachvollziehen, eine Anstrengung ohne innere Beteiligung.
Die Psychologie unterscheidet dabei zwei Formen von Interesse: individuellem Interesse und situationalem Interesse. Individuelles Interesse meint eine stabile, langfristige Neigung für ein bestimmtes Thema oder Feld – etwa jemand interessiert sich dauerhaft für Technik oder Kunst. Situationales Interesse hingegen ist ein kurzfristiger, durch eine Situation, eine Aufgabe oder einen Impuls ausgelöster Moment von Neugier, Aufmerksamkeit und emotionaler Beteiligung. Es entsteht plötzlich – durch ein Problem, eine Irritation, eine Frage, eine Handlung, die Bedeutung verspricht.
Nach Hidi und Renninger (2006) ist dieses situationale Interesse häufig der Einstiegspunkt für jedes tiefergehende Lernen. Es aktiviert die Aufmerksamkeit, führt zu kognitiver Auseinandersetzung, steigert die Anstrengungsbereitschaft und kann – wenn es stabilisiert wird – in ein dauerhaftes, persönliches Interesse übergehen. Forschung (z. B. Schiefele, 2009; Ainley & Hidi, 2014) zeigt klar: Je stärker situationales Interesse geweckt wird, desto höher sind das Lernengagement – also die aktive Beteiligung und Ausdauer – und letztlich auch die Lernleistung. Mit anderen Worten: Wenn der Funke des situationalen Interesses zündet, entsteht Energie – Lernende investieren mehr, bleiben länger dran, denken tiefer.
Doch Interesse lässt sich nicht verordnen. Es entsteht, wenn Lernende Sinn und Relevanz erleben, wenn sie merken: Das betrifft mich. Das hat mit meinem Leben zu tun. Ich darf mitdenken. Und genau hier beginnt die Idee von Lernen mit Bedeutung: Lernen wird nicht für Lernende geplant, sondern von ihrer Erfahrung ausgehend mit ihnen entwickelt.
Was situationales Interesse auslöst
Situationales Interesse entsteht nicht zufällig. Es folgt – so zeigen zahlreiche Studien – wiederkehrenden Mustern. Vier zentrale Auslöser lassen sich unterscheiden:
- Sinn und Relevanz: Lernende erleben, dass etwas mit ihnen zu tun hat. Sie erkennen einen persönlichen Bezug oder eine Bedeutung für ihr eigenes Leben.
- Überraschung oder Irritation: Etwas passt nicht ins bisherige Verständnis. Eine unerwartete Frage, ein Problem, ein Widerspruch – das erzeugt kognitive Spannung.
- Beteiligung und Mitgestaltung: Lernende dürfen etwas selbst tun, entscheiden, ausprobieren. Aktivität erzeugt Identifikation.
- Emotionale Resonanz: Lernende spüren etwas – Staunen, Empathie, Empörung, Humor. Gefühle binden Aufmerksamkeit.
Diese Faktoren bilden den psychologischen Boden jedes bedeutsamen Lernens. Sie zeigen zugleich: Situationales Interesse entsteht nicht durch Themenvorgaben, sondern durch Bedeutungserlebnisse – durch Situationen, in denen Lernende sich selbst und ihre Welt neu verstehen.
Vom Lehrplan zum Erleben – Lernen, das in der Welt beginnt
Traditionell beginnt Unterricht oft mit einem Lehrplan, einer Kompetenz oder einem Thema. Aber solange Lernende nicht wissen, warum sie etwas tun, bleibt der Lernstoff leblos. Lernen mit Bedeutung kehrt diese Reihenfolge um: Nicht Was soll gelernt werden?, sondern Was ist in unserer Welt gerade bedeutsam? wird zur ersten Frage. So entsteht ein Lernen, das nicht mit Stoff, sondern mit Erfahrung beginnt – mit dem, was Lernende wahrnehmen, erleben, hinterfragen.
Das Curriculum bleibt wichtig, aber es folgt der Bedeutung, nicht umgekehrt.
Wenn Lernen aus echten Erfahrungen erwächst, führt es fast automatisch über Fächergrenzen hinaus. Reale Situationen sind komplex – sie verbinden Sprache, Werte, Zahlen, Emotion, Technik und Gestaltung. Echtes Interesse kann gar nicht „monodisziplinär“ sein. Die folgenden fünf Schritte beschreiben, wie sich diese Bewegung entfaltet – vom Erleben zur Frage, von der Frage zur Erkenntnis, von der Erkenntnis zur Selbststeuerung.
Schritt 1: Alltagsphänomene aufgreifen – Lernen aus Situationen
Alles beginnt mit einem Moment von Aufmerksamkeit. Etwas irritiert, bewegt oder fasziniert uns. Ein Streit fühlt sich unfair an. Eine Nachricht klingt widersprüchlich. Etwas, das selbstverständlich schien, passt plötzlich nicht mehr. Das ist der Ursprungspunkt situationalen Interesses – ein kleiner kognitiver Riss, in dem das Denken erwacht. Der erste Schritt besteht also darin, Situationen zu entdecken, die Lernende tatsächlich beschäftigen oder irritieren. Interesse erwächst nicht aus Themenlisten, sondern aus Erfahrungsspuren. Lehrkräfte schaffen Räume, in denen solche Erfahrungen ausgesprochen, geteilt und ernst genommen werden. Man fragt nicht: Welches Thema müssen wir behandeln?, sondern:
- „Was beschäftigt euch im Moment?“
- „Was ist euch in letzter Zeit aufgefallen, das euch nachdenken ließ?“
- „Wo habt ihr erlebt, dass etwas nicht fair, nicht logisch oder besonders spannend war?“
- Was habt ihr in den letzten Tagen erlebt oder gesehen, das euch nachdenken ließ?“
- „Worüber habt ihr in letzter Zeit gestritten, gestaunt oder euch gewundert?“
- „Was in der Welt fühlt sich gerade ‚unverständlich‘ oder ‚ungerecht‘ an?“
Lehrende beginnen nicht mit Lernzielen, sondern mit offenen Ohren. Sie sammeln, was Lernende bewegt – an der Tafel, im digitalen Board, auf Karten – und erkennen darin Themenmuster. Diese Sammlung ist kein bloßer Einstieg, sondern bereits der Beginn des Lernprozesses: Hier entsteht die emotionale Energie, die situationales Interesse trägt. Die Antworten müssen nicht „pädagogisch“ sein. Manchmal ist es ein Meme, eine Entscheidung im Sport, eine Ungerechtigkeit, eine Beobachtung in den Nachrichten. Wichtig ist, dass die Lehrkraft diese Impulse ernst nimmt – nicht bewertet, sondern aufgreift. Die Lernenden erfahren, dass ihre Wahrnehmung zählt. Ihr Erleben wird zum legitimen Teil des Unterrichts. Das erzeugt emotionale Beteiligung – und genau das ist die erste Stufe situationalen Interesses: das catching interest, das Aufblitzen von Relevanz.
Schritt 2: Fragen entwickeln– Was wollen wir verstehen?
Aus Erfahrungen werden Fragen – sie strukturieren das entstehende Interesse. Dieser Schritt verwandelt Emotion in Denken: Aus einem Gefühl von Staunen, Irritation oder Betroffenheit wird eine bewusste Suchbewegung. Fragen sind der Motor jedes echten Lernens. Ohne sie bleibt Lernen reaktiv, mit ihnen wird es explorativ. Wenn Lernende eigene Fragen formulieren, vollzieht sich ein entscheidender Perspektivwechsel: Sie übernehmen Verantwortung für das, was sie wissen wollen. Aus „Wir müssen etwas lernen“ wird „Wir wollen etwas verstehen.“ Und genau dort entsteht das situationale Interesse in seiner stabileren Form – nicht mehr als kurzer Funke, sondern als gerichtete Energie.
Vorgehen
1. Auswahl: Lernende wählen aus den zuvor gesammelten Situationen eine, die sie emotional berührt oder kognitiv reizt – etwas, das sie verstehen oder klären wollen. Es kann eine Erfahrung aus dem Alltag sein („Warum ist das ungerecht?“), eine Beobachtung aus Medien („Warum wird das immer so dargestellt?“) oder eine Frage aus der Welt („Wie kann das sein, dass …?“).
2. Fragen sammeln: Sie formulieren zunächst spontane Fragen – offen, ungefiltert, subjektiv. Die Lehrkraft notiert alles sichtbar, ohne zu bewerten. Die Fülle ist gewollt – sie zeigt, dass Denken begonnen hat. Sie formulieren zunächst spontane Fragen („Warum ist das so?“, „Wie geht das?“).
3. Fragen schärfen: Anschließend werden die Fragen gemeinsam verfeinert. Die Gruppe überlegt: Welche Fragen sind untersuchbar? Welche sind zu allgemein oder rein emotional? Welche haben das Potenzial, verschiedene Perspektiven zu öffnen?
Impulse der Lehrkraft
„Welche dieser Fragen reizt euch wirklich, sie zu beantworten?“
„Welche Frage lässt sich nicht mit einem schnellen Ja oder Nein klären?“
„Welche Perspektiven müsste man einnehmen, um sie zu verstehen?“
„Wenn ihr nur eine Frage behalten dürftet – welche wäre das?“
Diese Fragen sind kein methodisches Werkzeug, sondern eine Haltung: Sie öffnen Denkraum. Lehrkräfte wirken hier weniger als Inputgeber:innen, sondern als Resonanzflächen für entstehende Bedeutung.
Beispiel
In einer 9. Klasse berichtet eine Schülerin, sie habe auf Social Media ein Video gesehen, das „ganz sicher beweist“, dass ein bestimmtes Ereignis manipuliert sei.
Ein Mitschüler widerspricht: „Das stimmt gar nicht, das war ein Fake – stand in den Nachrichten.“ Es entsteht eine lebhafte Diskussion: Wem kann man glauben? Wer hat recht? Und woher weiß man das überhaupt? Aus dieser Diskussion wächst eine gemeinsame Frage: „Wie können wir erkennen, ob etwas in den sozialen Medien wahr ist?“ Das ist der Wendepunkt. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun nicht mehr auf das Video selbst, sondern auf die Mechanismen dahinter – auf Wahrnehmung, Manipulation, Glaubwürdigkeit. Ein situatives Erlebnis wird zur kognitiven Bewegung. Lernen beginnt genau hier – in dem Moment, in dem eine echte Frage entsteht, die keine einfache Antwort hat. In dieser Phase wandelt sich das situationale Interesse qualitativ: Was als spontane Emotion begann, wird zu gerichteter Aufmerksamkeit. Das Gehirn sucht nach Kohärenz – es will verstehen, wie Dinge zusammenhängen. Diese Spannung zwischen Unwissen und Verstehen erzeugt die Energie, die Lernen trägt. Neugier ist nichts anderes als das Bedürfnis, eine kognitive Lücke zu schließen – und die Freude, wenn das gelingt.
So entsteht ein Geflecht aus Fragen, Analysen und kreativen Antworten. Am Ende steht keine einfache Lösung, sondern ein neues Verständnis: Wahrheit ist kein fester Zustand, sondern ein Prozess – ein Zusammenspiel von Wahrnehmung, Sprache, Technik und Verantwortung. Und genau hier zeigt sich, was situationales Interesse bewirken kann: Ein reales Erlebnis – ein irritierendes Video – verwandelt sich in ein komplexes Lernfeld. Die Lernenden erfahren, dass Wissen, Denken und Moral untrennbar verbunden sind. Das Thema öffnet von selbst die Türen der Fächer – und Lernen wird zur gemeinsamen Suche nach Bedeutung.
Schritt 3: Fähigkeiten und Denkwerkzeuge entdecken: Was brauchen wir, um das zu verstehen?
Wenn Lernende eine eigene Frage formuliert haben, verändert sich ihr Verhältnis zu Wissen radikal. Wissen wird nicht mehr als „Stoff“ erlebt, sondern als Werkzeug.
Lernende spüren, dass sie bestimmte Fähigkeiten benötigen, um ihre Frage zu bearbeiten – und genau in diesem Moment entsteht kognitive Selbstwirksamkeit.
Sie begreifen: Ich kann etwas lernen, weil ich etwas verstehen will. Jetzt treten die Fächer ins Spiel – aber nicht als Grenzen, sondern als Zugänge. Jedes Fach öffnet eine eigene Tür zur Wirklichkeit, bietet Denk- und Ausdrucksformen, mit denen sich Aspekte eines Phänomens begreifen lassen. Fächerübergreifendes Lernen geschieht hier ganz natürlich – nicht, weil man es plant, sondern weil die Realität selbst es verlangt.
Vorgehen
1. Orientierung an der Leitfrage: Die Klasse schreibt ihre Forschungsfrage sichtbar an die Tafel: „Wie können wir erkennen, ob etwas in den sozialen Medien wahr ist?“
2. Brainstorming zu notwendigen Fähigkeiten: Die Lernenden überlegen: „Was müssen wir wissen, um diese Frage beantworten zu können?“ „Welche Fähigkeiten helfen uns?“ „In welchen Fächern könnte man das untersuchen – und wie?“
3. Fächer öffnen sich: Die Lehrkraft begleitet diesen Prozess, indem sie verschiedene Denkspuren andeutet:
Deutsch: Wie Sprache, Bilder und Emotionen Glaubwürdigkeit erzeugen.
Politik: Wie öffentliche Meinung entsteht und wie Macht auf Information wirkt.
Informatik: Wie Algorithmen Inhalte auswählen und Filterblasen schaffen.
Ethik: Welche Verantwortung man trägt, wenn man Informationen teilt.
Kunst: Wie Gestaltung Emotionen lenkt und Wirklichkeit inszeniert.
4. Visualisierung: Auf einem großen Plakat oder digitalen Board entsteht eine „Landkarte des Verstehens“: In der Mitte steht die Leitfrage, drumherum die verschiedenen Perspektiven. So wird sichtbar, dass die Welt nicht aus Fächern besteht – Fächer sind nur Werkzeuge, um sie zu lesen.
So entsteht eine „Landkarte des Verstehens“. Fächer sind hier keine Schubladen, sondern Werkzeuge, um Bedeutung zu erschließen. Kognitiv gesehen entsteht Komplexität: Die Lernenden erkennen, dass Wahrheit ein mehrdimensionales Phänomen ist – sprachlich, technisch, sozial, moralisch, ästhetisch. Emotional gesehen entsteht Identifikation: Sie erleben, dass ihre Alltagswelt – Social Media, Kommunikation, Wahrheit – ernst genommen wird. Das stabilisiert Motivation. Das Interesse bleibt lebendig, weil es sich immer wieder neu anreichert – jede Perspektive öffnet eine weitere Bedeutungsschicht. Aus einem emotionalen Impuls wird eine kognitive Struktur. Die Lernenden erfahren, dass sie sich selbst befähigen können, Antworten zu finden. Das ist der Übergang von bloßer Aufmerksamkeit zu aktiver Aneignung – der Beginn von Selbststeuerung
Schritt 4: Vom situationalen Interesse zur Selbststeuerung
Wenn Lernende auf diese Weise arbeiten, entsteht Selbststeuerung fast automatisch. Sie wissen, warum sie etwas tun, wofür sie es brauchen und welche Wege sie gehen müssen. Selbstreguliertes Lernen erwächst hier nicht aus Disziplin, sondern aus Orientierung und Bedeutsamkeit. Oft zeigt sich das ganz praktisch:
Gruppen organisieren sich von selbst, weil sie wissen, was sie herausfinden wollen. Sie fragen, planen, verwerfen, suchen neu. Die Lehrkraft tritt zurück, ohne sich zu entziehen. Sie begleitet – mit Fragen, nicht mit Anweisungen.
Beispiel aus der Medienfrage
Die Klasse beschließt, ihre Leitfrage arbeitsteilig zu erforschen: Eine Gruppe untersucht in Deutsch, welche sprachlichen und visuellen Strategien Falschinformationen nutzen. Eine zweite analysiert in Politik, wie Plattformen Meinung beeinflussen. Eine dritte führt in Informatik kleine Experimente durch: Wie verändern Likes oder Empfehlungen den Feed? Eine vierte reflektiert in Ethik, was Verantwortung im digitalen Raum bedeutet.
Später tragen sie ihre Ergebnisse zusammen, vergleichen, diskutieren, entwickeln kleine Empfehlungen für Mitschüler:innen: Woran erkenne ich Manipulation? Wie kann ich fair und kritisch teilen? Hier entsteht Selbststeuerung in Reinform: Lernende regulieren ihr Denken, weil sie das Ziel verstehen und die Verantwortung dafür übernehmen.
Zwei Kräfte tragen diesen Prozess:
Kognitive Klarheit: Lernende wissen, was sie lernen, weil sie es selbst als Antwort auf ihre Frage gewählt haben. Das schafft innere Ordnung und Kontrolle.
Erlebte Bedeutung: Sie erkennen, dass das Gelernte nicht für Noten, sondern für ihre Orientierung in der Welt wichtig ist. Das verleiht emotionale Energie.
Wenn beide Kräfte zusammenwirken, entsteht die Form von Motivation, die Deci & Ryan als autonom motiviert beschreiben: Lernen wird nicht als Pflicht erlebt, sondern als Ausdruck von Selbstwirksamkeit. Das situationale Interesse wird hier zum dauerhaften Antrieb – es hält das Denken in Bewegung, bis aus Neugier Verständnis wird.
Schritt 5: Fächerübergreifendes Lernen als Haltung – nicht als Methode
Am Ende steht kein didaktisches Programm, sondern eine Haltung. Fächerübergreifendes Lernen ist kein organisatorisches Zusatzformat, das man „implementiert“.
Es entsteht, wenn Unterricht die Welt der Lernenden ernst nimmt. Diese Haltung beruht auf drei Prinzipien:
Bedeutung entsteht durch Verbindung: Wenn Lernende erleben, wie Mathematik, Ethik, Sprache und Technik sich gegenseitig beleuchten, verstehen sie Wissen als Netz, nicht als Linie.
Lernen beginnt in der Erfahrung, nicht im Stoff: Themen wachsen aus Erlebnissen, Irritationen, Fragen. Fächer treten erst auf, wenn sie gebraucht werden.
Fächer sind Werkzeuge, keine Grenzen: Sie bieten unterschiedliche Denkweisen – analytisch, sprachlich, moralisch, ästhetisch – die gemeinsam Bedeutung erzeugen.
Fächerübergreifendes Lernen verlangt kein neues Curriculum, sondern einen Perspektivwechsel: Lehrkräfte fragen nicht: „Welche Inhalte passen zusammen?“
sondern: „Welche Erfahrungen, Fragen oder Phänomene bewegen unsere Lernenden – und welche Denkformen helfen, sie zu verstehen?“
So verstanden, wird Schule zu einem Resonanzraum: Ein Ort, an dem Denken, Fühlen und Handeln zusammenkommen. Wissen ist dann keine Sammlung von Fakten, sondern eine Form, die Welt zu verstehen und Verantwortung in ihr zu übernehmen.
Situationales Interesse ist der Funke – aber er bleibt nur lebendig, wenn er sich mit Bedeutung verbindet. Fächerübergreifendes Lernen liefert die Nahrung dafür:
Es erlaubt Lernenden, die Welt nicht als Summe isolierter Disziplinen zu erleben, sondern als zusammenhängendes Ganzes. Und genau darin liegt die nachhaltige Kraft echten Lernens: Nicht Wissen um des Wissens willen, sondern Denken als Antwort auf das Leben.
Fazit
Situationales Interesse entsteht, wenn Lernende in ihrer Welt Bedeutung entdecken. Wenn sie selbst Fragen formulieren, Werkzeuge wählen und Zusammenhänge herstellen, wächst Lernen organisch über Fächergrenzen hinaus. Fächerübergreifendes Lernen ist dabei keine Methode, sondern die natürliche Form echten Verstehens. Denn die Welt ist nicht nach Disziplinen geordnet – sie ist verwoben. Und Lernen, das von der Welt ausgeht, spiegelt genau das: Es ist lebendig, bedeutungsvoll und selbstgesteuert. Echtes Interesse entsteht nicht dort, wo Stoff „spannend gemacht“ wird, sondern dort, wo die Wirklichkeit selbst zum Ausgangspunkt wird. Und vielleicht liegt genau darin die Zukunft der Schule: nicht Wissen zu lehren, sondern Sinn zu ermöglichen.
Literatur
Ainley, M., & Hidi, S. (2014). Interest and enjoyment. In International handbook of emotions in education (pp. 205-227). Routledge.
Hidi, S., & Renninger, K. A. (2006). The four-phase model of interest development. Educational psychologist, 41(2), 111-127.
Schiefele, U. (2009). Situational and individual interest. In Handbook of motivation at school (pp. 211-236). Routledge.

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